Digimon und die Multipfad Evolution

Titania | Montag, 21. Juli 2014 | |
Vor einigen Tagen bekam ich eine freundliche E-Mail von einem Leser meines Blogs, der mich gefragt hat, wie es denn sein kann, dass sich diverse Evolines überschneiden und dass bspw. die 2006er Version von Agumon eine ganz andere Greymon Evoline hat. Da der ein oder andere von euch vielleicht auch schonmal vor dieser Frage stand, habe ich beschlossen, daraus eine Kolumne zu machen. Und da mir schon lange kein Thema mehr für eine Kolumne eingefallen ist, Danke an dieser Stelle für dein Fragestellen! ;-)


Hat jedes Digimon eine vorgegebene Evoline?


Grundsätzlich müsst ihr eines wissen: Glaubt nicht alles, was der Anime euch vorgaukelt. Denn Digimon ist in Form der Animationsserien eine Dauerwerbesendung und die Grundprinzipien bzw. die Originalideen wurden teilweise sehr stark verändert, damit sie sich besser vermarkten lassen.


Das Grundprinzip der Digimon


Aki Maita, eine Bandaimitarbeiterin, bemerkte 1995 bei einer Verkaufsanalyse, dass Spielzeug, dass man immer in der Hosentaschen mit sich tragen konnte, das beliebteste unter den Kindern war. Eines Tages besuchte sie eine Freundin, die sich ein neues Frettchen zugelegt hatte und dieses rund um die Uhr fürsorglich bemutterte. Plötzlich kam ihr ein Gedankenblitz und sie stellte Anfang 1996 ein Konzept vor, dass die Zielgruppe Mädchen von 14 - 17 Jahren ansprechen sollte: Das Tamagotchi.



Ein halbes Jahr später, im Juni 1997, entwickelte Bandai daraus ein Gerät, dass sich an die männlichen Kinder und Heranwachsende richten sollte: Das Digital Monster V-Pet. Die Idee dahinter war recht simple - Jungen sollen lernen, sich um ihre Kampf-Dinosaurier zu kümmern, sie zu pflegen, und sie dem richtigen Training zu unterziehen. Gleichzeitig gab es erstmals die Möglichkeit, zwei dieser V-Pets zu verbinden und Kämpfe auszutragen.





Der Entwicklungspfad der Digimon war von folgenden Stufen geprägt:

Digtama - Baby - Baby II - Child - Adult - Perfect

Der spätere US-amerikanischen Dub des Anime machte aus diesen Stufen jene, die wir auch aus der deutschen Fassung kennen:

Digiei - Baby Level - Ausbildungs Level - Rookie - Champion - Ultra

und veränderte somit schonmal den Grundbaustein. Denn der Entwicklungspfad war ursprünglich wie der, jedes Lebewesen aufgebaut mit dem Zusatz, dass man durch bestimmte Parameter nach dem Erwachsenwerden (Adult Level) die Möglichkeit hatte, Perfektion zu erlangen. Aus diesem Grund war dieser Vorgang, den wir im Deutschen als Digitation bezeichnen, im japanischen ganz einfach Shinka - also Entwicklung.

Um auf dem Entwicklungspfad immer weiter zu kommen, musste das Digimon verschiedenen Parametern nachkommen. Diese zeichneten sich durch bestimmte Pflege wie Gewicht und Sauberkeit aus. Auch das Training durfte nicht außer Acht gelassen werden und ein weiterer, sehr wichtiger Punkt, war der Kampf gegen andere Digimon. Denn manche Entwicklungen konnte man nur durch eine bestimmte Gewinnrate erreichen. All diese Kriterien haben schlussendlich bestimmt, welche Gestalt das Digimon als nächstes annimmt. So war es bspw. möglich, dass Agumon mit Übergewicht und einigen Pflegefehlern zu Meramon digitieren konnte, oder durch ein ausgewogenes Training zu Tyranomon und Greymon. Hat man sich aber kaum um Agumon gekümmert, bestand auch die Möglichkeit, dass es zu Devimon oder Numemon wird. Um das Perfect Level zu erreichen, war eine Mindestanzahl von 15 gewonnen Kämpfen bzw. hohe Gewinnrate gegen andere Spieler erforderlich. Hat man diese Pflicht nicht erfüllt, ist das Digimon später auf dem Adult Level gestorben und wieder zu einem Ei geworden. Hat man das Perfect Level allerdings erreicht, so lebte das Digimon einigen Zeit länger.


Die ersten Digimon und ihre Entwicklungspfade

(V-Pet Ver. 1 - 1997)



Ende 1998, als das Pedulum - also der Nachfolger der Digital Monster Serie - auf den Markt kam, führte man ein weiteres System der Evolution und ein neues Level ein. Mit der Jogres Evolution (Dub. DNA-Digitation) war es zwei Spielern möglich, durch eine Kombination ihrer beider Adult Digimon Komponente das Perfect Level zu erreichen. wer das geschafft hatte, dem stand nun eine komplett neue Tür auf: Das Ultimate Level (Dub.: Mega Level).

Insgesamt kann man sagen, die Art und Weise, wie ein Digimon sich entwickelt, hängt von den Parametern und tatsächlich auch von dem Gesetz des Stärkeren ab.

Dann kam im März 1999 der Anime Digimon Adventure. Während der Movie, der einen Tag vor dem Animestart in den japanischen Kinos anlief, tatsächlich noch dem V-Pet Prinzip folgte, formte Toei Animation die Evolution im Anime so, wie sie ich am besten vermarkten lies. Sprich: Jedes Digimon bekam eine feste Evoline in der Serie, Pflege, Training und gewonnene Kämpfe spielten keine Rolle mehr und die Digimon verwandelten sich jedes Mal zurück auf das Child Level. Grundsätzlich war die Digitation auch nur mit bestimmten, leuchtenden Gegenständen möglich - den Digivices und später auch den Wappen. Das Einzige, was man tatsächlich wiederfinden konnte, war die Tatsache, dass Digimon nach ihrem Tod wieder zu einem Ei werden und von vorn anfangen und Greymons Digitation zu Skull Greymon. Hier kann man tatsächlich von einer Art Pflegefehler Taichis sprechen. Skull Greymon ist in diesem Sinne keine falschen Digitation, sondern einfach nur eine Alternative. Da Skull Greymon durch ihren Typus Virus von Natur aus nicht so zahm wie Greymon sind, und es sich mit der neuen Gestalt daher nicht zurecht findet, weil es einfach gegen seine Natur ist, ist es klar, dass es randaliert.
Im Großen und Ganzen ist das Prinzip aus dem Anime der eigentlichen Grundidee so fremd, dass man daraus auch eine völlig andere Serie hätte machen können, die man nicht Digimon Adventure hätte nennen müssen. Das zog sich weiter durch Zero Two, wo es durch die Armoreier sogar noch weitegeführt wurde. Interessanterweise nutzte man in der zweiten Staffel aber auch ein Element der damaligen Grundidee: Die Jogres Evolution (DNA-Digitation).

Dann kam Digimon Tamers und Chiaki J. Konaka, der Autor, war der Überzeugung, dass es unnatürlich und gegen die Natur der Digimon sei, wenn sie sich zurückentwickeln. Da man in den Animeserien aber sein striktes Konzept hatte, konnte er nicht einfach Megalo Growmon 24/7 durch Shinjuku stapfen lassen. Er baute seine Überzeugung auf eine andere Art und Weise ein. Erinnert ihr euch noch, anfangs war es Kyuubimon, Galgomon und Growmon nicht möglich, sofort wieder zurückzudigitieren? Manchmal hat es viele Stunden gedauert.
Auch das Gesetz des Stärkeren sickert in Tamers absolut durch. So können Digimon sich entwickeln, wenn sie genug Daten eines anderen Digimon im Kampf geladen haben.


Frontier und Xros Wars fallen völlig aus dem alten V-Pet Konzept heraus, wenngleich Frontier noch Digieier hatte - während man auch bei Savers versucht hat, das ein oder andere Element wieder aufzunehmen.

Als weitere Quelle für alternative Evolutionspfade gilt auch das PS1 Spiel Digimon World, das im Januar 1999 - also vor dem Start des Anime - auf den Markt kam. Vemutlich hat es nahezu jeder von euch gespielt und erinnert sich noch gut daran, dass man für bestimmte Digimon gewisse Voraussetzungen erfüllen musste. Und, dass man nicht nur einem Evolutionspfad folgen konnte, sondern mehrere Möglichkeiten hatte, wenn man gewisse Bedingungen erfüllt hat. Dieses Prinzip zieht sich bis heute durch die Games. Auch in den Games, die vor Digimon World erschienen, war dies bereits der Fall.

Im Juni 1999 - kurz nach dem Animestart - erschien das Digital Monster Card Game und legte ebenfalls neue Wege für die Entwicklungsstufen der Digimon frei. Später, als die Armor Digitationen im Anime hinzukamen, und V-Mon auch nur mit dem Digimental des Mutes zu Fladramon digitieren konnte, löste sich Bandai ab einem bestimmten Zeitpunkt vom Anime Canon und stufte Fladramon nicht nur als Armor Digimon, sondern auch als Adult Digimon ein. So war es künftig auch Digimon wie Agumon, Candmon und Goburimon möglich, auch ohne das Digimental zu Fladramon zu werden. Ein weiteres Beispiel hier wäre wohl auch Dracmon, das in Digimon Xros Hunters zu Yashamon werden kann.

Um das ganze vielleicht ein bisschen greifbarer zu machen: Wenn ein Mensch geboren wird, steht auch noch nicht fest, ob er später mal auf die Realschule oder auf das Gymnasium geht. Das hängt von dem Umfeld und der Lernfähigkeit jeder einzelnen Person ab. Auch die Berufsbildung oder das Studium später hängt davon ab, welche Stärken und welche Schwächen man aufweist und hinzu kommen auch noch die eigenen Wünsche und Träume. Und genauso kann man auch die Evolutionspfade der Digimon betrachten. Wenn es aus dem Digiei schlüpft, stehen ihm sehr viele Türen offen. Natürlich ist nicht alles möglich. So findet man in Agumons möglichen Evolines z.B. kein Digimon vom Typ Wasser, bzw. Deep Savers, denn Feuertyp Agumon würde sonst gegen seine Natur digitieren.


Meine Einstellung Multipfad Evolutions


Ich kann sehr gut verstehen, dass man den Digimonpartnern im Anime eine feste Evolione gegeben hat. Erstens wegen der Vermarktung und zweitens, sind wir mal ehrlich, wenn Agumon in drei Episoden gleich drei Mal auf verschiedene Art und Weise auf das Adult Level digitiert, blickt da am Ende sowieso keiner mehr durch. Ich finde es dennoch etwas schade, dass viele Fans sich aber nicht bewusst sind, dass durch das Original Digimon nunmal die Grundidee der Multipfad Evo besteht und auch gewollt wurde und sie deshalb denken, Elecmons Digitation zu Garurumon in Digimon Savers sei ein Fehler. In den jeweiligen Anime Canon mögen die Evolines aus - wie gesagt - vermarktungsgründen vielleicht festgelegt sein, aber prinzipiell muss ein Nicht-Adventure Agumon nicht zwangsläufig zu Greymon werden. Im Übrigen hat man das Digital Monster V-Pet damals auch mit Tyranomon beworben, nicht mit Greymon. Ich für meinen Teil liebe genau das an Digimon: Jedes Wesen ist individuell, denn es kann so digitieren, wie es seinem Charakter gleichkommt. Wäre doch langweilig, wenn alle Digimon die gleiche Linie hätten. Bei solch einem großen Franchise wie Digimon ist eine Multipfad Evo doch eine sehr angenehme und tolle Sache. Jeder Fan kann sich sein Traumdigimon mit der Traumlinie ganz individuell und nach Vorlieben gestalten. Nicht immer alles so streng nostalgisch sehen - seid offen für Neues! ;-)

5 Kommentare:

  1. Großer Applaus, ich bin von diesem Blogeintrag mehr als Begeistert. <3
    Finde den Vergleich mit dem menschlichem, schulischem Werdegang sehr gelungen und du hast den Unterschied zwischen Serie und dem Originalkonzept sehr gut erklärt. :3
    Diese verschiedenen Evolutionsmöglichkeiten sind auch eine Sache, die ich an Digimon sehr Liebe und was es besser macht als Pokemon. x3 (Ich mag aber auch Pokemon, möcht ich nur anmerken. xD)

    AntwortenLöschen
  2. Sehr schöne Kolumne!

    Ich war früher auch immer verwirrt von den unterschiedlichen Evolutionslinien. Wenn ich mich recht entsinne, dann hatte das D-Terminal eine Funktion, mit der du die möglichen Digitationen eines Digimon einsehen konntest. Was ich dort als Kind gelesen habe, war so anders als in den Serien, das ich wirklich verwirrt war!

    Aber wenn eine mögliche Digitation für Aguman ein Devimon ist... na, das hätte ja in Adventure einige Komplikationen gegeben =P

    AntwortenLöschen
  3. Auch ich muss mein Lob über diesen Beitrag äußern =)
    Er ist sehr gut und verständlich geschrieben und bringt genau das auf den Punkt, was IMO Digimon in der Hinsicht einzigartig macht =) Wie auch Pikuna schrieb, finde ich den Vergleich zwischen Menschen und ihren "Leveln" zu den Digimon echt spitze =)
    Weiter so, Bro ;)

    AntwortenLöschen